15. August 2010
Kolumne (1): Gesichtsbemalung bei den Lakota
In den Weleda-Nachrichten erscheint eine dreiteilige Kolumne von Isabel Stadnick über verschiedene kulturelle Aspekte der Lakota-Indianer. Dies ist der erste Beitrag, erschienen im Heft 253, 2010.
Die Gesichtsbemalung der Lakota-Indianer hat einen bedeutungsvollen Hintergrund. Sie ist Ausdruck einer Errungenschaft, aber auch Zeichen der Trauer. Sie gibt sowohl Auskunft über einen Status, kann aber auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht zeigen, wie etwa der Kriegergesellschaft.
Das Design für die individuelle Gesichtsbemalung erhalten die Lakota durch einen Traum oder eine Vision. Für alle wichtigen Ereignisse, sei es eine Suche oder eine Schutzbitte, wird die geistige Welt um Rat gefragt – die Antworten erfolgen meist durch Träume oder die Visionen. Diese «Visionssuche», in der durch Beten und Fasten der Dialog mit den geistigen Wesen gesucht wird, ist heute noch eine der wichtigsten Zeremonien. Ein persönliches Muster kann vom Vater auf den Sohn oder die Tochter übertragen werden.
Die Farben der Gesichtsbemalung sind folglich nicht einfach eine optische Wahl, sondern drücken die Individualität und die Verbindung zu einer bestimmten Kraft aus. Es kann ein Blitz sein, ein Symbol von Regen oder einfach eine Farbe, die für eine der Himmelsrichtungen, für die Erde oder den Kosmos steht. Die Farben für die Gesichtsbemalung werden aus Pflanzen, Mineralien und Erde hergestellt.
Die Gesichtsbemalung dient nicht zuletzt auch als Schutz gegen Sonne, Wind, Schnee und Kälte. Dazu wird das Gesicht zuerst mit Büffelfett eingerieben, danach verteilt man die Farbe auf dem Gesicht und auf dem ganzen Körper. Frauen malen sich mit roter Erde einen Strich auf ihren Haarscheitel, was sie mit der Erde verbindet, der Mutter alles Lebendigen. Wenn Männer sich früher auf einen Kriegszug vorbereiteten, wurde die Gesichtsbemalung aufgetragen, sie symbolisierte den übernatürlichen Schutz. Es gab verschiedene Kriegergesellschaften, die «Akicita», welche unterschiedliche Rollen übernahmen. Wenn ein Camp abgebrochen wurde und die Stammesgruppe, die «Tiyospaye», zu einer neuen Lokalität aufbrach, wurden Männer aus einer «Akicita» ausgewählt, um den reibungslosen Ablauf der Wanderung zu überwachen. Dafür bemalten sich die ausgewählten Krieger die rechte Wange mit einem schwarzen Strich, der vom rechten Auge bis zum Kiefer verlief. Der Oberste der «Akicita» malte sich drei Striche auf die Wange, so war für alle ersichtlich, wer die Aufsicht hatte. Sollten während der Wanderung Feinde auftauchen, wurden die schwarzen Striche entfernt, denn nun waren die Krieger unter der Führung des «Blotahunka» (Kriegshäuptlings). Es gab aber auch die rein zeremonielle Bemalung: So bemalten die Lakota einst ihr Gesicht schwarz für den Siegestanz, auch Skalptanz genannt. Die Bedeutung der Gesichtsbemalung lässt erahnen, dass sie einen grossen Einfluss auf die mentale Verfassung der Lakota ausübte und sie auf kommende Aufgaben vorbereitete. Bis heute hat sich die Tradition der Gesichtsbemalung vor allem in Tänzen und Zeremonien erhalten.
- Zweiter Beitrag der Kolumne